Rasseln und Kostüme zu Purim – Von der Hoffnung auf das Gute
Am jüdischen Fest Purim geht es um die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser. Und um Hoffnung. Ein Rabbiner in Konstanz blickt auf diesen Aspekt auch hinsichtlich des Krieges in der Ukraine.
von Leticia Witte
Verkleidungen, Wein und laute Rasseln: Das jüdische Fest Purim, das am Montagabend beginnt und bis Dienstagabend dauert, ist ein fröhliches Fest. Zwei Wochen nach Rosenmontag werden hier und da in Deutschland erneut Kostümierte zu sehen sein. Vieles mag zwar an Karneval erinnern – der Hintergrund von Purim ist allerdings ein komplett anderer. Denn die Freude rührt daher, dass die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser gefeiert wird. Und zwar durch eine Frau.
Das biblische Buch Esther berichtet, dass Haman, Minister am Hof des persischen Königs im fünften Jahrhundert vor Christus, aus Rache alle Juden töten wollte. Königin Esther, die ihre jüdische Abstammung verborgen hielt, konnte dies jedoch verhindern. Der Name des Festes leitet sich ab von dem Wort “pur”, das Los bedeutet: An einem durch ein Los bestimmten Tag sollten die Juden getötet werden. Wenn in der Synagoge an dem Fest aus der Esthergeschichte gelesen wird, schlagen Kinder mit ihren Rasseln Krach, wenn der Name Haman vorkommt.
Es gibt aus Anlass des Festes auch das Gebot, sich zu betrinken, bis man nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Die israelische Rabbinerin Dalia Marx macht darauf aufmerksam, dass dieser Umstand Purim zum Lieblingsfest vieler Menschen habe werden lassen. Doch sei die Albernheit nicht die Hauptabsicht des Festes, betont sie in ihrem Buch “Durch das Jüdische Jahr”.
“Das Gebot will uns auf das Gefühl des Fehlens von Gewissheiten einstimmen, auf die Ungewissheit und die Bitternis des Ohnmächtig-Seins. Betrunkenheit betont und verstärkt also den Kontrollverlust über das Auf und Ab unseres Lebens. Das Verweilen in einem Zustand, wo wir nicht mehr zwischen den Bereichen unterscheiden können, zwischen Unglück und Errettung, ist wie das Stehen an einer Wegkreuzung”, so Marx.
Die Rabbinerin betont, dass Gefühle von Freude und Schmerz einander ergänzende Lebenserfahrungen seien. Die Esthergeschichte lehre die “Kunst der Unvollkommenheit”, lade zugleich dazu ein, das Leben zu genießen, und erinnere an die Hoffnung, dass sich selbst in einer schwierigen Lage alles zum Guten wenden könne.
Dieser Aspekt ist auch Avraham Yitzchack Radbil wichtig. Er arbeitet als Rabbiner in der Konstanzer Einheitsgemeinde mit ihren rund 300 Mitgliedern – und ist als Zwölfjähriger mit seiner Familie aus dem ukrainischen Mohyliw-Podilskyj nach Deutschland ausgewandert. Als vor einem Jahr Russland die Ukraine angriff, hoffte er noch, dass der Krieg am kurz darauffolgenden Purim vorbei sein möge. Doch ein Jahr später wird immer noch gekämpft.
Radbil sagt, er finde daher die Botschaft von Purim, “bis zum Schluss an das Gute und die Hoffnung zu glauben”, passend mit Blick auf den Krieg. Dies wolle er auch in seiner Ansprache am Ruhetag Schabbat vor Purim zum Ausdruck bringen. Zudem werde er einem Aufruf der orthodox geprägten Konferenz der Europäischen Rabbiner folgen, diesen Schabbat im Zeichen der Geflüchteten aus der Ukraine zu begehen.
“Im Judentum ist es ein Gebot, Mitgefühl für Benachteiligte und für Flüchtlinge zu haben – im Angedenken daran, dass auch wir Flüchtlinge gewesen sind”, sagt Radbil. Das fröhliche Fest Purim in Zeiten des Krieges in Europa abzusagen, sei wegen der damit verbundenen hoffnungsvollen Botschaft niemandem in der Gemeinde in den Sinn gekommen: “Juden haben Purim schon unter den schlimmsten Bedingungen gefeiert.”
Radbil, Jahrgang 1984, hat Angehörige, die unter Kriegsbedingungen in der Ukraine leben. “Jeder Tag des Krieges ist einer zu viel. Menschen haben ihr Leben, ihre Bleibe und ihre Heimat verlassen. Tausende Menschen sind tot. Außer Leid hat der Krieg nichts gebracht.” Ob er mit seinen Angehörigen schon über Purim gesprochen hat? Nein, sagt der Rabbiner: Derzeit teile er mit ihnen existenzielle Themen.
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